POP
CDs
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NEUES AUS
DER
MUSIKWELT
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INVISIBLE HOUR
Eat Music/Edel CD
(60’)
W er nicht bereit sei, sich verführen
zu lassen, der könne auch nicht
erlöst werden, singt Joe Henry ein-
mal. Schon nach den ersten Versen
(„It wasn’t peace I w anted/S o it
wasn’t peace I found“) von „Spar-
row“ ist klar, dass man es hier mit
Songpoesie auf einem Niveau von
Reflexion zu tun hat, die übliche
Nabelschau ausschließt. Ihm sei
erst nachträglich aufgefallen, dass
das ein Songzyklus über die Ehe
geworden sei, erklärt Joe Henry.
Autobiografie ist trotzdem selbst
das in der ersten Person gesungene
epische „Sign“ nicht.
Sein op.
1 3
beginnt in der Stim -
mung ähnlich wie Jackson Brownes
„Late For The Sky“. Bis er sich dann
allerdings, seit vielen Jahren schon
souverän mit allen Genres und Stilen
von Blues und Jazz über Flamenco
und R & B bis zu Walzer und Gospel
experim entierend,
anscheinend
als Flaubert des Folk qualifizieren
möchte! Mandola und Slide, Akus-
tik-Gitarren und Mandocello sind in
jedem Song präsent, die Greg Leisz
als virtuoser Gast allesamt bewun-
dernswert spielt. Damit das nicht
puristisch geschweige denn schlicht
klingt, sind Songs oft mit gestri-
chenem Kontrabass, Saxofonen
und (Bass)Klarinetten arrangiert,
Letztere gespielt von Levon Henry.
Besagter Junior fügte sich während
der vier Tage „Live-im-W ohnzim -
m er“ -Studio-Sessions
absolut
harmonisch in das handverlesene
Ensemble von Cracks ein.
Joe Henry ist, jedenfalls diesen
Songs nach zu urteilen, ein Ana-
chronismus: Der Mann glaubt offen-
bar an große und dauerhafte Liebe.
Pure Lebensfreude und unverbrüch-
liches Vertrauen hat er auch nach
Jahrzehnten nicht verloren, wie
er im Duett mit Lisa Hannigan bei
„Lead Me On“ bekennt.
Franz Schöler
MUSIK ★
KLANG ★ ★ ★
★ ★
Meyer/Rough Trade CD (auch als LP)
(46’)
Auf der vierten Com pilation des
nach ihm benannten Labels ver-
samm elt Werner Meyer Folkbarden
wie M ick Fitzgerald, Paul Lamont
und Robert Coyne, die über Gott
und die W elt nachdenken. Zu den
Highlights der unveröffentlichten
Tracks bzw. Live-Versionen zählt
Eric Andersens „Rain Falls Down
In Am sterdam “, eine ernste Song-
reportage über Faschismus und
Judenhass. Kölns Nachwuchs M a-
rio Nyeky lässt mit der beseelten
Ballade „On The Road“ aufhorchen.
Und Goro Nakagawa singt freizügig
bzw. obsessiv über „Boobs In Their
Twenty-Fifth Year“ : ist vielleicht
besser, dass er das auf Japanisch
macht .
..
hake
MUSIK
KLANG ★
M ariah Carey
ME. I AM MARIAH .
..THE ELUSIVE
CHANTEUSE
Def Jam/Universal CD
(73')
Gibt es etwas nicht Künstliches an
dieser Frau? Ihr gestrafftes Gesicht,
der durch Operationen geform te
Körper und die manipulierten Fotos
auf dem Cover passen jedenfalls
nahtlos zum radikal auf Chartformat
getrimmten Popsound. Lässt man
sich drauf ein, kann man am hoch-
glanzpolierten R&B-Pop-Soul-Kon-
glomerat durchaus Spaß haben. Wie
immer sind Gaststars zu hören: Nas,
Mary J. Blige, Fabolous und Wale.
Mariah Carey, die als Mega-Popstar
mit
2 0 0
Millionen verkauften Alben
ein Leben jenseits der W irklichkeit
führt, inszeniert sich selbst und
liefert über eine Stunde gepflegte
Unterhaltung.
pb
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
1A8Y GÄUTHIER
"'»MCjLOVE
M ary G authier
TROUBLE & LOVE
Proper CD
(38’)
So viele betörende Ohrwürmer, wie
Mary Gauthier für Studio-op.
6
ein-
gefallen sind, legen den Verdacht
nahe, dass sie womöglich doch an
einer Kreuzung nachts einen Pakt
mit dem Teufel geschlossen hat. Für
„False From True“ gebührt ihr der
Townes Van Zandt-Gedächtnispreis.
„Oh my soul I souled you away“
bekennt sie einm al und fleht um
Erlösung („Oh Soul“). Gitarrist Dua-
ne Eddy beschwört bei „How You
Learn To Live Alone“ Erinnerungen
an große Country-Schmachtfetzen
einer versunkenen Ära, eine ele-
gische Slidegitarre bei „W orthy“
weckt Erinnerungen an die Rolling
Stones von „Wild Horses“. Fabel-
hafte Produktion!
F. Sch.
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
★ ★
W illie Nelson
BAND OF BROTHERS
Legacy/Sony CD
(48’)
Auch als LP erhältlich
Im Alter tritt man im Allgemeinen
kürzer, nicht so Willie Nelson. Nach
dem Vorjahreserfolg mit „To All The
Girls .
..“ veröffentlicht der
8 1
-Jähri-
ge nun schon das nächste Album
ohne Fehl und Tadel. Neben Liedern
von Vince Gill, Billy Joe Shaver und
anderen enthält „Band Of Brothers“
sogar neun neue Schöpfungen von
Nelson selbst, die verdanken w ir
einem „writing kick“. Zum gem üt-
lichen Country-Sound singt der
Zopfträger darin von seinen Jahren
als Outlaw, vom Kreativprozess des
Künstlers und der Menge Leid, die
ein Mensch gerade noch aushalten
kann. Altersweise Betrachtungen
einer lebenden Legende.
hake
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
M eshell Ndegeocello
COMET, COME TO ME
Naïve/Indigo CD (auch als LP erhältlich)
(47’)
Rund
2 0
Jahre nach ihrem gefeier-
ten Debüt „Plantation Lullabies“
und zwei Jahre nach ihrem Tribut
an Nina Sim one liefert die
1 9 6 9
in Berlin geborene Bassistin ein
beseeltes Album ab, das span-
nungsgeladen und doch entspannt
zwischen Funk, Soul, Jazz, Folk und
Rock pendelt. Besonders der Rock
’n’ Rap-Opener „Friends“ und das
von Afrobeat beeinflusste „Modern
Tim e“ zeigt die Produzentin, Bas-
sistin, Komponistin in Bestform .
Aber längst nicht alle Titel auf Nde-
geocellos elfter Veröffentlichung
fußen auf Rhythmus und Bass, wie
die atm osphärische Schlussnum-
m er „American Rhapsody“ zeigt.
wz
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
120 STEREO 8/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht
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